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Immer wieder ist es an den Gerichten, missverständliche Testamentsformulierungen so zu interpretieren, wie es der oder die Erblasser einst mutmaßlich intendiert hatten. Ein recht einleuchtendes Beispiel einer solchen Auslegung lieferte das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG).
Der 1926 geborene Erblasser und seine 1930 geborene Ehefrau hatten keine gemeinsamen Kinder und auch jeder für sich keine eigenen Abkömmlinge. Sie haben im Jahr 2011 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Darüber hinaus haben sie verfügt: "Nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten sollen unsere gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen die Erben sein." Nach dem Tod des Erblassers beantragten die Erben zweiter Ordnung (Abkömmlinge der Eltern des Erblassers) einen gemeinschaftlichen Erbschein mit der Begründung, dass das Testament so auszulegen sei, dass die jeweiligen gesetzlichen Erben Schlusserben zu gleichen Teilen sein sollten.
Dieser Auslegung konnte sich das OLG jedoch nicht anschließen. Für eine Auslegung, dass die Eheleute die Begriffe "Abkömmlinge" und "Verwandte" gleich verwendet haben, gab es keinerlei Anhaltspunkte. Vor allem die Verwendung des Begriffs "gemeinsam" spricht dagegen, dass hiermit die jeweiligen Verwandten der Eheleute gemeint gewesen sein könnten. Laienhaft sei es den Erblassern vermutlich nur darauf angekommen, sich wechselseitig zu Alleinerben einzusetzen.
Hinweis: Missverständliche Regelungen sollten bei der Abfassung einer Verfügung unter allen Umständen vermieden werden. Nutzen Sie daher rechtzeitig die Expertise erbrechtlicher Fachleute, bevor die Verteilung Ihres Erbes von der Auslegung der Gerichte abhängt.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Ein Gerichtsverfahren ist stets auch mit Kosten verbunden. Im Folgenden musste das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entscheiden, ob mit der kostenpflichtigen Ablehnung eines Erbscheins auch außergerichtliche Kosten berührt werden oder sich diese Kostenentscheidung lediglich auf die Gerichtskosten des Erbscheinsverfahrens bezieht.
Ein Nachlassgericht hatte im Jahr 2017 einen Erbscheinsantrag "kostenpflichtig" zurückgewiesen. Mehrere an dem Verfahren Beteiligte haben daraufhin bei Gericht beantragt, dass die ihnen entstandenen außergerichtlichen (Rechtsanwalts-)Kosten von den Antragstellern zu erstatten seien.
Diesen Antrag hat das OLG Düsseldorf letztlich zurückgewiesen. Trifft ein Nachlassgericht die Entscheidung, dass der von den Beteiligten gestellte Erbscheinsantrag kostenpflichtig zurückgewiesen wird, bezieht sich diese Kostenentscheidung in den Augen des Düsseldorfer Senats lediglich auf die Gerichtskosten. Die Entscheidung ist keine Grundlage für die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten der übrigen am Verfahren Beteiligten.
Es wird in der Rechtsprechung der OLGs zwar nicht einheitlich beantwortet, ob in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit - zu denen auch das Erbscheinsverfahren gehört - mit der Kostenentscheidung auch eine Entscheidung darüber getroffen wird, wer die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu tragen hat. Das OLG geht in Düsseldorf ebenso wie die Kollegen in Köln jedoch davon aus, dass mit einer solchen Entscheidung lediglich über die Gerichtskosten entschieden wird, wobei das OLG in Hamm dies anders sieht.
Hinweis: Aufgrund der unterschiedlichen Ansichten der verschiedenen OLGs und wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit hat der Senat des hier urteilenden Gerichts die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Für die Entscheidung zur Einziehung eines Erbscheins ist beim Nachlassgericht funktionell der Rechtspfleger zuständig. Wie wichtig dabei bundes- und landesrechtliche Sonderregelungen - sogenannte Richtervorbehalte - sind, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG) .
Im Streitfall ging es um die Einziehung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der die Kinder der Erblasserin jeweils hälftig als Miterben auswies. Nach Erteilung des Erbscheins wurde von der Tochter ein weiteres Testament vorgelegt, bei dem zwischen den Beteiligten streitig war, ob dieses zeitlich nach dem Testament errichtet wurde, das Grundlage des Erbscheins geworden ist. Das Nachlassgericht hat in Person eines Rechtspflegers den Erbschein durch einen Beschluss eingezogen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde zum OLG.
Ohne sich mit der Frage der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung auseinandersetzen zu können, hob das OLG die Entscheidung des Rechtspflegers bereits aus formalen Gründen auf. Aufgrund der besonderen landesrechtlichen Regelung sei für die Entscheidung über die Einziehung von Erbscheinen in Niedersachsen nämlich der Nachlassrichter zuständig. In Fällen, in denen gegen den Erlass einer beantragten Entscheidung Einwände erhoben werden - so wie hier bei der Frage nach der Gültigkeit eines Testaments -, ist die Angelegenheit dem zuständigen Richter vorzulegen. Daher hat das OLG hat die Angelegenheit an das Nachlassgericht zurückverwiesen.
Hinweis: Es lohnt sich stets, auch einen Blick darauf zu werfen, ob eine Entscheidung unter formalen Gesichtspunkten ordnungsgemäß zustande gekommen ist.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Natürlich kann ein Erblasser durch ein Testament ausdrücklich Anordnung darüber treffen, wer Erbe werden soll. Möglich ist dabei auch, dass der Erblasser einen Verwandten, den Ehegatten oder den Lebenspartner von der gesetzlichen Erbfolge ausschließt, ohne einen Erben einzusetzen. Wer genau von dieser Enterbung betroffen ist, ist im Einzelfall durch eine Auslegung zu ermitteln - so wie im Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG).
In diesem Fall war die ledige Erblasserin kinderlos verstorben. Die Eltern waren bereits vorverstorben. Mit Ausnahme des Bruders gab es keine weiteren Geschwister der Erblasserin. Diese hinterließ ein im Februar 2007 errichtetes handschriftliches Testament, in dem es unter anderem hieß: "Ausgeschlossen sind alle Verwandten und angeheiratete Verwandten!" Ferner führte sie darin aus, dass die Familie mitleidlos gegenüber "unserem Vertreibungsschicksal" war. "Wir wurden von den Verwandten lächerlich gemacht! Das tut sehr weh!" Auf eine ausdrückliche Erbeinsetzung verzichtete sie in dem Testament jedoch. Der Bruder der Erblasserin beantragte daher einen Erbschein, wohingegen der Fiskus der Ansicht war, an die Stelle eines Erben getreten zu sein.
Das OLG gelangte nach einer Auslegung des Testaments jedoch zur Einschätzung, dass der Bruder der Erblasserin von dem Ausschluss nicht betroffen sei. Die Formulierungen in dem Testament mit den "Verwandten" auf der einen Seite und der Personengruppe "wir" auf der anderen Seite spreche dafür, dass die Erblasserin den Bruder eben nicht zu den von dem Ausschluss betroffenen Verwandten zählte. Das Nachlassgericht hatte demnach auch den beantragten Erbschein zugunsten des Bruders zu Recht erteilt.
Hinweis: Eine Enterbung ohne eine Erbeinsetzung birgt das Risiko, dass ein potentieller Erbe nur durch eine Auslegung zu ermitteln ist. Wird ein Erbe innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist nicht ermittelt, hat das Nachlassgericht festzustellen, dass der Fiskus Erbe nach dem Verstorbenen geworden ist. Ob dies von dem Erblasser tatsächlich gewollt ist, muss gut überlegt sein.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Errichten Ehepartner ein gemeinschaftliches Testament, haben wechselbezügliche Verfügungen eine Bindungswirkung. Grundsätzlich können diese nach dem Tod eines Ehegatten nicht mehr einseitig abgeändert werden. Dass jedoch nicht jede darin getroffene Verfügung diese bindende Wechselbezüglichkeit bedingt, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG).
Der Erblasser hatte mit seiner bereits verstorbenen ersten Ehefrau im Jahr 1998 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. Darüber hinaus haben sie bestimmt, dass nach dem Tod beider Ehegatten für die fünf Kinder die gesetzliche Erbfolge gelten solle. Nach dem Tod seiner Ehefrau hat der Erblasser erneut geheiratet und in einem späteren notariellen Testament im Jahr 2014 seine zweite Ehefrau hälftig zur Erbin, seine Kinder zu jeweils einem Zehntel Anteil als Erben eingesetzt. Des Weiteren wurde eine Testamentsvollstreckung angeordnet. Die überlebende Ehefrau beantragte den Erlass eines Erbscheins auf der Basis des zuletzt errichteten notariellen Testaments. Eine Tochter des Erblassers war jedoch der Ansicht, dass ein Erbschein auf der Basis des ursprünglich errichteten gemeinschaftlichen Testaments zu erteilen sei.
Das OLG hat ausgeführt, dass die Regelung in dem gemeinschaftlichen Testament, dass nach dem Tod der Eheleute die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten solle, keine wechselbezügliche Verfügung sei. Dies könne nur für solche Verfügungen angenommen werden, die ein Ehegatte nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen hätte. Es widerspreche laut OLG der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Eltern ihre gemeinsamen Kinder nur mit Rücksicht auf die Verfügung des anderen Elternteils einsetzen. Mangels eben jener entscheidenden Wechselbezüglichkeit konnte der Erblasser hier auch nach der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments eine hiervon abweichende Verfügung treffen. Dabei stellte das Gericht jedoch auch fest, dass diese im Verhältnis zu den Kindern - mit Ausnahme der Anordnung der Testamentsvollstreckung - keine Änderung ergab.
Hinweis: Wollen Ehegatten die Bindungswirkung vermeiden, sollten sie sich im Rahmen der Abfassung des Testaments das Recht zur Abänderung nach dem Tod des Erstversterbenden vorbehalten.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Finden Eltern nach Trennung keine einvernehmliche Lösung über die Frage, wann wer mit den Kindern Umgang hat, können sie sich zum einen an das Jugendamt wenden, um eine Verständigung herbeizuführen. Zum anderen steht ihnen der Weg der gerichtlichen Klärung offen. Ob bei diesen beiden Optionen eine rechtlich zwingende Reihenfolge einzuhalten ist, klärte das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) im folgenden Fall.
Hier lebten die Kinder bei der Mutter, und der Vater begehrte einen entsprechenden Umgang. Da er sich von einem Vermittlungsversuch über das Jugendamt nichts versprach, beantragte er gleich eine gerichtliche Umgangsregelung. Diesen Antrag sah die Mutter als unzulässig an - ihrer Ansicht nach fehle es an einem entsprechenden Rechtsschutzbedürfnis. Und so meinte sie, dass sich der Mann zuerst an das Jugendamt hätte wenden müssen. Das Scheitern einer solchen Vermittlung sei schließlich Voraussetzung, das Gericht anzurufen. Das zuständige Amtsgericht (AG) gab der Frau in erster Instanz Recht. Doch dann wendete das OLG als zweite Instanz das Blatt.
Das OLG entschied, das nicht erst der Weg zum Jugendamt beschritten werden müsse, bevor ein gerichtliches Verfahren zur Regelung des Umgangs eingeleitet werden kann. Das Gericht hob deshalb die Entscheidung der Erstinstanz auf und verwies die Sache zurück, damit sich das AG nun mit der Sache befasst.
Hinweis: Meist ist es ratsam, bei Spannungen zunächst mit dem Jugendamt Kontakt aufzunehmen. Das ist zwar rechtlich nicht zwingend - es lässt sich so aber zügig herausfinden, wie gut die Chancen auf eine einverständliche Regelung stehen. Gerichtliche Verfahren belasten die Beteiligten meist mehr und können zudem länger dauern, obwohl es bei Umgangsfragen wichtig ist, eine zügige Regelung zu finden. Das gilt auch dann, wenn statt eines Hauptsacheverfahrens ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeleitet wird.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Bevor jemand unter Betreuung gestellt wird oder eine sonstige maßgebliche Entscheidung über seine Betreuung gerichtlich erfolgt, hat eine persönliche Anhörung des Betroffenen zu erfolgen. Insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH) wird immer wieder mit derart gestalteten Fragen konfrontiert und nimmt es mit dieser Anhörungspflicht daher auch sehr genau. Dass dessen Entscheidungen auch immer wieder praktische Folgen nach sich ziehen, zeigt der folgende Fall.
Generell gilt zunächst, dass für den Fall, dass ein Volljähriger wegen psychischer Erkrankung oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann, ihm ein Betreuer durch das Gericht bestellt wird. Dieser Betreuer handelt dann innerhalb eines vorher festgesetzten Aufgabenkreises für den Betreuten. Damit man nicht einfach so unter Betreuung gesetzt werden kann, hat zuvor eine ausführliche Prüfung über die Notwendigkeit zu erfolgen. Dazu gehört vor allem auch, dass das Gericht den Betroffenen jeweils unmittelbar und persönlich anzuhören hat.
Wie ist es um dieses Erfordernis in Coronazeiten bestellt ist, hat der BGH klar entschieden: Die Anhörungspflicht gilt unverändert - ganz so, als gäbe es die Pandemie nicht. Zwar müssen der Schutz und die Sicherheit des Gerichts bei der persönlichen Anhörung vor Ort gewährleistet sein. Dies sei aber der Fall, wenn die vom Robert-Koch-Institut empfohlenen Hygienemaßnahmen ergriffen werden, so dass die entsprechenden Standards gewährleistet sind. Das Gericht darf also nicht davon absehen, den Betroffenen persönlich anzuhören, bevor in die Rechte des Betroffenen (weiter) eingegriffen wird.
Hinweis: In Alten- und Pflegeheimen haben sich Besucher vor dem Betreten einem Coronaschnelltest zu unterziehen. Sie müssen auch ansonsten gewissen Besonderheiten genügen. Das gilt also auch für die Richterinnen und Richter, wenn sie eine Anhörung vorzunehmen haben. Sich den Maßnahmen zu entziehen, indem auf die Anhörung verzichtet wird, ist nicht opportun! Das verbleibende Restrisiko bewertet das Gericht geringer als die Notwendigkeit, sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Wird die ehemalige Partnerin/der ehemalige Partner nicht in Ruhe gelassen, sondern dauernd eine Kontaktaufnahme angestrebt - Stichwort "Stalking" -, kann es angemessen und erforderlich werden, Rechtsschutz nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) in Anspruch zu nehmen. Im Kern wird dann das Verbot ausgesprochen, sich der Wohnung der bedrängten Person nicht mehr als in einer gewissen Distanz zu nähern und Kontakt aufzunehmen. Was aber passiert, wenn sich die Umstände beispielsweise durch einen Umzug ändern, musste im Folgenden das Berliner Kammergericht (KG) klären.
Einem Mann wurde gerichtlich unter anderem verboten, sich mehr als 500 Meter der Wohnung der Frau zu nähern. Dann zog die Frau um, und es kam, wie es kommen musste: Der Mann näherte sich der Frau nun bei ihrer neuen Wohnung. Die Frau verlangte nun die Verhängung eines Ordnungsgeldes, denn sie sah in dem Verhalten des Mannes einen eindeutigen Verstoß gegen den gerichtlichen Beschluss, der gegen ihn in Sachen Abstandsgebot verhängt worden war. Doch galt der Beschluss in sinngemäßer Anwendung auch für die neue Wohnung?
Leider nein, so das KG. Es ist stets auf den genauen Inhalt der gerichtlichen Entscheidung zu achten - und in diesem Fall stand dort nichts von der neuen Wohnung. Deshalb konnte der Beschluss nicht gedanklich umgeschrieben werden. Ein Antrag der Frau auf Verhängung eines Ordnungsgeldes wurde deshalb abgewiesen.
Hinweis: Verfahren nach dem GewSchG nehmen in der Pandemie leider zu. Viele Paare und Familien sind den mitunter sehr diffizilen Herausforderungen dieser besonderen Zeit nicht gewachsen. Dennoch kann nicht undifferenziert Hilfe bei den Gerichten angefordert werden - ein präziser Vortrag ist stets vonnöten und Besonderheiten sind zu beachten.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Zwar ist die gleichgeschlechtliche Ehe gesetzlich mittlerweile der nicht gleichgeschlechtlichen Ehe weitestgehend gleichgestellt - im Kindschaftsrecht ist das aber nicht so. Dementsprechende Probleme kann es geben, wenn es zur Trennung kommt. Daher war das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) mit der folgenden Frage befasst.
Zwei miteinander verheiratete Frauen beschlossen, dass eine der beiden mittels Fremdinsemination Kinder bekommen solle, und setzten den Plan erfolgreich um. Als es später zur Trennung kam, blieben die Kinder bei ihrer biologischen Mutter. Als ihre Exfrau erwartungsgemäß den Kindesumgang verlangte, verweigerte ihr die ehemalige Partnerin diesen Wunsch, so dass der Fall vor dem OLG landete.
Kinder, die während des Bestehens einer nicht gleichgeschlechtlichen Ehe geboren werden, gelten nach dem Gesetz automatisch als Kinder der Ehegatten. Im Fall einer Trennung besteht ebenfalls automatisch ein Umgangsrecht des Elternteils, bei dem die Kinder nicht leben. Bei gleichgeschlechtlichen Ehen ist das nicht der Fall. Die Kinder haben zwar die Gebärende als Mutter, der andere Teil gilt aber nur und erst dann als weiterer - sogenannter "sozialer" - Elternteil, wenn eine Adoption erfolgt. Und an dieser fehlte es hier. In solchen Fällen ist stets zu prüfen, ob dieser soziale Elternteil als enge Bezugsperson der Kinder anzusehen ist und der Umgang ausdrücklich dem Kindeswohl dient. Das OLG hat dies hier auch geprüft und schließlich bejahend festgestellt. Daher hat es den begehrten Umgang gewährt und entsprechend angeordnet, obwohl der andere (rechtliche) Elternteil dies nicht wollte.
Hinweis: Über die Besonderheiten bei einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft liegen häufig zu wenig Kenntnisse vor. Generell sind die Regeln einer gleichgeschlechtlichen und einer nicht gleichgeschlechtlichen Ehe im Wesentlichen identisch - scheinbar auch in der Annahme, "es werde schon nicht zur Trennung kommen". Doch wie man sieht: Es ist eindeutig sinnvoll, sich "in guten Zeiten" zu informieren, um bei Eintritt der unerwarteten schlechten Zeiten ausreichend Vorsorge getroffen zu haben.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Hat ein Unterhaltspflichtiger nur geringe Einkünfte, ist er damit nicht automatisch von der Verpflichtung befreit, Unterhalt zu zahlen. Gegebenenfalls ist mit erzielbaren und also fiktiven Einkünften zu rechnen. Was dabei zu beachten ist, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dargelegt.
Die betreffenden Kinder lebten beim Vater. Die Mutter - Floristin, psychisch vorbelastet und in Teilzeit arbeitend - sollte folglich Unterhalt zahlen. Ärztlich angeraten wurden ihr nur bis zu 16 Arbeitsstunden wöchentlich, tatsächlich arbeitet sie jedoch 20 Stunden. Dennoch reichte dies für den Kindesunterhalt nicht aus. Nur wenn sie in Vollzeit einer Tätigkeit nachgehen würde, stünden ihr ausreichend Mittel zur Verfügung, den Mindestunterhalt für die Kinder zu zahlen. Das Oberlandesgericht Naumburg (OLG) hatte sie deshalb in zweiter Instanz auf der Basis fiktiver Einkünfte zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Das BVerfG hob die Entscheidung jedoch auf.
Zunächst ist es am Unterhaltspflichtigen, darzutun und zu beweisen, warum es ihm nicht möglich sei, den geforderten Mindestunterhalt zu leisten. Die Anforderungen sind hoch, denn es gilt der generelle Grundsatz, dass selbst jemand ohne Ausbildung und in selbst schwierigen Arbeitsmarktphasen den Mindestunterhalt zahlen könne. Gegebenenfalls müsse dafür auch ein Nebenjob angenommen werden - bis zu 48 Stunden Arbeit pro Woche seien zumutbar. Streng zu prüfen sei also jede Behauptung, es könne sogar der Mindestunterhalt nicht gezahlt werden. Zweifel und Unklarheiten gehen zwar erst einmal zu Lasten des Unterhaltspflichtigen - doch in dem hier behandelten Fall hätte zunächst näher der Frage nachgegangen werden müssen, inwieweit die Mutter gesundheitsbedingt außerstande war, mehr zu arbeiten. Und genau dabei hatte es sich das OLG etwas zu einfach gemacht: Wenn sie nach ärztlicher Vorgabe nur 16 Stunden arbeiten könne, tatsächlich aber 20 Stunden arbeite, dann seien ihr auch 40 Stunden möglich. So einfach ist es in den Augen des BVerfG dann doch nicht: Es verwies den Fall wegen eines Verfassungsverstoßes zurück an das OLG und fordert es nach eingehender Prüfung der individuellen Gesamtumstände zur erneuten Entscheidung auf.
Hinweis: Die Unterhaltsverpflichtung spielt auch im Fall von Arbeitslosigkeit eine Rolle. Wer arbeitslos ist, kann sich nicht darauf beschränken, sich arbeitslos zu melden. Er muss auch selber initiativ werden und von sich aus auf Stellenanzeigen reagieren, damit er seine Unterhaltspflichten erfüllen kann.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Egal, auf welche Pisten sich ein Skiurlauber zu schwingen gedenkt - er sollte dabei stets die geltenden Regelungen des internationalen Skiverbands (FIS-Regeln) beachten. Denn dass eine Missachtung des anerkannten Verhaltenskodex teuer werden kann, zeigt der folgende Fall des Landgerichts Frankenthal (LG).
Zwei deutsche Skifahrer hatten an einer Skireise nach Kanada teilgenommen. Bei einer gemeinsamen Abfahrt der Reisegruppe wurde der eine Wintersportler von dem anderen überholt. Hierbei kam es zu einem Zusammenstoß. Bei dem Verletzten wurde nach seiner Rückkehr nach Deutschland ein Kreuzband- und Seitenbandriss sowie eine Verletzung des Innen- und Außenmeniskus festgestellt. Der Skifahrer hatte die FIS-Regeln bei dem Überholmanöver verletzt und wurde zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 27.000 EUR verklagt - und vom LG auch entsprechend verurteilt.
Der Unfallverursacher hatte unmittelbar vor dem Unfall zum Linksschwung angesetzt und ist dann beim Ausfahren aus der Kurve leicht hangaufwärts gefahren. Hierbei gilt nach Nr. 5 der FIS-Regeln jedoch eine besondere Sorgfaltspflicht, die der Skifahrer nicht beachtet hatte. Jeder Skifahrer, der hangaufwärts schwingen oder fahren will, muss sich nach unten und nach oben vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann. Und der Unfall bewies, dass dies hier nicht erfolgt war.
Hinweis: Es zeigt sich, wie wichtig eine private Haftpflichtversicherung sein kann. Diese wird wohl mit großer Wahrscheinlichkeit den Skifahrer davor schützen, selbst zahlen zu müssen.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
In gleich zwei parallelen Verfahren verklagten Mitglieder ihre private Krankenversicherung (PKV), da sie deren unbegründete Beitragserhöhungen für nicht rechtmäßig erachteten. In der Tat urteilten die Gerichte, dass eine Erhöhung ohne Begründung unzulässig sei. Doch damit war der Fall nicht abschließend geklärt, so dass erst der Bundesgerichtshof (BGH) grundlegende Rahmenbedingungen für eine korrekte Verfahrensweise zu Beitragerhöhungen definieren musste.
Die Versicherung holte zunächst die angemahnte Begründung ihrer Beitragserhöhung nach. Damit war zwar der Mangel geheilt - dennoch war die Erhöhung der Beiträge wegen fehlender Begründung bis zu diesem Zeitpunkt unwirksam. Die Versicherung musste die bis dahin gezahlten Erhöhungen an den Versicherten zurückzahlen.
Und auch der BGH urteilte nach eingelegter Revision, dass die Beiträge ohne Angabe der Rechnungsgrundlage für die Beitragsanpassung - wie Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeit - nicht erhöht werden können. Erst dann starte die Frist für die Beitragsanpassung. Selbst ein Nachreichen einer solchen Begründung führe nicht zu einer rückwirkenden Rechtmäßigkeit. Der Senat betonte, dass die Mitteilung der Gründe es dem Versicherungsnehmer ermöglichen soll nachzuvollziehen, welche konkreten Gründe für eine Erhöhung vorliegen. So muss dabei auch deutlich werden, dass nicht das individuelle Verhalten des Versicherungsnehmers Grund für die Beitragserhöhung sei. Vielmehr soll dem Versicherungsnehmer deutlich gemacht werden, dass veränderte Umstände die Beitragsanpassung veranlasst haben. Gleichsam weist der BGH jedoch auch darauf hin, dass der Versicherer nicht zur Mitteilung verpflichtet sei, in welcher Höhe genau sich die Rechnungsgrundlage geändert hat.
Hinweis: Prämienerhöhungen anstandslos zu akzeptieren, kann durchaus ein Fehler sein. Ob jedoch eine unzulässige Prämienerhöhung vorliegt, sollte sorgsam durch eine Fachkraft geprüft werden.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Im folgenden Fall musste der Bundesgerichtshof (BGH) über das sogenannte "Vitamin B" befinden. Da Justizia schließlich nicht umsonst mit verbundenen Augen dargestellt wird, um ihre Neutralität allen Streitparteien gegenüber zu symbolisieren, sollte auch eine private Verbindung zwischen Richter und Klägern bzw. Beklagten ausgeschlossen werden - oder etwa nicht?
Hierbei ging es um einen Rechtsstreit in einer Wohnungseigentümergemeinschaft über die Stellflächen von Kraftfahrzeugen. Das Amtsgericht hatte die Klage erstinstanzlich abgewiesen, wogegen Eigentümer in Berufung gingen. Dabei kam es zur folgenden ungewöhnlichen Konstellation: Die Ehefrau des Vorsitzenden Richters der zuständigen Berufungskammer war seit Jahren mit der Beklagten befreundet. Der Vorsitzende Richter hatte davon in einem von den Klägern gegen alle übrigen Wohnungseigentümer geführten Beschlussanfechtungsverfahren 2015 eine Mitteilung gemacht und erklärt, selbst seit Jahren keinen Kontakt mit der Beklagten zu haben. Trotzdem lehnten die Kläger den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab - zu Recht.
Der BGH war der Auffassung, dass die Besorgnis der Befangenheit begründet ist, wenn zwischen dem Ehegatten des abgelehnten Richters und einer Prozesspartei eine enge bzw. langjährige Freundschaft besteht.
Hinweis: Die Ablehnung eines Richters muss gut begründet sein. Zudem sollte dabei stets berücksichtigt werden, dass sich dadurch der Prozess verlängert.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Wer Menschen betreut und pflegt, hat hohe Schutzpflichten übernommen und muss diesen auch gerecht werden. Dieser folgenschwere Fall, der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landete, drehte sich darum, welche Eventualitäten in einem Pflegeheim in Betracht gezogen werden müssen, sobald eine Selbstgefährdung desorientierter Patienten festgestellt wurde.
Ein im Jahr 1950 geborener Mann lebte - hochgradig dement und desorientiert - in einem Pflegeheim und wies demenztypische Symptome wie Lauftendenz, Selbstgefährdung, nächtliche Unruhe und Sinnestäuschungen auf. Das Pflegeheim brachte ihn in einem Zimmer im dritten Obergeschoss unter, das über zwei große Dachfenster verfügte, die gegen ein eigenständiges Öffnen nicht gesichert waren. Der Abstand zwischen dem Fußboden und den Fenstern betrug zwar 120 cm, vor den Fenstern befanden sich jedoch zudem ein 40 cm hoher Heizkörper sowie in 70 cm Höhe eine Fensterbank, über die man stufenweise zur Fensteröffnung gelangen konnte. Es passierte schließlich, was passieren musste: Der Mann fiel aus einem der beiden Fenster und verstarb nach mehreren Operationen. Seine Witwe verlangte nun Schmerzensgeld vom Heimbetreiber.
Der BGH verwies die Angelegenheit zwar an die Vorinstanz zurück, machte aber deutlich, dass ein Schmerzensgeld zu zahlen sein wird. Denn ein an Demenz erkrankter Pflegeheimbewohner darf bei einer Selbstschädigungsgefahr nicht in einem im Obergeschoss gelegenen Wohnraum mit einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht werden. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob ein solcher Unglücksfall nahe lag. Auch eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, löst Sicherungspflichten des Heimträgers aus.
Hinweis: Erfahren Sie von Missständen in Pflegeeinrichtungen, sollten Sie nicht davor zurückschrecken, die entsprechenden Aufsichtsbehörden zu informieren. Dabei kann Ihr Rechtsanwalt behilflich sein.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
Dass Kinder in ihrer Natur einem gern mal den sogenannten letzten Nerv rauben können, wird allgemeinhin wohl mit einem Nicken bestätigt. Glücklicherweise stimmen jedoch auch die meisten zu, dass man nicht nur selbst nicht anders gewesen war, sondern Gewalt als Reaktion auf jeden Fall abzulehnen sei. Im Folgenden war das Amtsgericht Frankfurt am Main (AG) mit der Bewertung eines Vorgangs betraut worden, in dem eine Erwachsene nicht adäquat auf ein Kind reagiert hatte. Ob der Vorfall gleichsam Anlass für ein Kontaktaufnahmeverbot ausreichte? Lesen Sie selbst.
Mehrere Kinder spielten im Hof eines Wohnhauses, als sich eine Nachbarin genau dadurch gestört fühlte. Sie warf daraufhin mit Kartoffeln nach den Kindern und traf dabei ein Kind am Rücken. Zudem griff die Frau das Kind an einem anderen Tag am Arm, hielt es fest und zog an ihm. Schließlich weinte das Kind - und es konnte nachts nicht mehr schlafen. Daher beantragte der Vertreter des Achtjährigen die Festsetzung eines Annäherungs- und Kontaktaufnahmeverbots im Wege der einstweiligen Verfügung - mit wenig Erfolg.
Das AG entschied, dass das Bewerfen eines Kindes mit einer Kartoffel und das Ziehen an dessen Arm nicht gleich ohne weiteres Handlungen darstellen, die den Erlass einer Gewaltschutzanordnung rechtfertigten. Eine Strafbarkeit hat das Gericht nicht gesehen.
Hinweis: Gewalt ist keine Lösung - niemals. Betroffene sollten Beratungsstellen oder eben auch den Rechtsanwalt ihres Vertrauens aufsuchen.
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(aus: Ausgabe 03/2021)
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