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Ehegatten können im Berliner Testament festlegen, wer nach dem Tod der beiden das Vermögen erhalten soll. Ein solcher gemeinsamer letzter Wille kann für den Überlebenden bindend werden, wenn die Verfügungen wechselbezüglich sind. Inwieweit die Regelung zu einer Ersatzschlusserbin wechselbezüglich sein kann, war Gegenstand einer Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG).
Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann hatten einen gemeinsamen Sohn. Dieser Sohn hatte seinerseits einen Sohn aus erster Ehe und war in zweiter Ehe verheiratet. Nach dem Tod seines Vaters, also des vorverstorbenen Ehemanns, lebte der Sohn der Erblasserin über viele Jahre mit einer anderen Frau in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen, aus der ein weiteres Kind hervorgegangen ist. Die miteinander verheirateten Erblasser selbst hatten 1994 in ihrem gemeinschaftlichen Testament verfügt, dass nach dem Tod beider Eheleute ihr gemeinsamer Sohn alleiniger Schlusserbe werden solle. Falls der Sohn vorversterben sollte, sollte dessen Ehefrau - die damalige Schwiegertochter - als Ersatzschlusserbin eingesetzt werden. In der Tat verstarb der Sohn vor der Erblasserin, seiner Mutter. Diese hatte in der Folge dann 2018 ein weiteres Testament errichtet und die Lebensgefährtin des verstorbenen Sohns gemeinsam mit dem Enkel zu Alleinerben eingesetzt. Und man ahnt es; die Ex-Schwiegertochter war der Ansicht, dass die damalige Ersatzschlusserbeneinsetzung in dem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich und die Erblasserin daher nicht mehr befugt war, eine hiervon abweichende letztwillige Verfügung zu errichten.
Nachdem das Nachlassgericht dieser Ansicht zunächst gefolgt war, hob das OLG die Entscheidung auf und entschied, dass der Lebensgefährtin des verstorbenen Sohns ein gemeinschaftlicher Erbschein zu erteilen ist. Das OLG stellte klar, dass die Wechselbezüglichkeit, die noch für die Schlusserbeneinsetzung des gemeinsamen Sohns der Eheleute zu bejahen war, nicht automatisch auch für die Ersatzschlusserbin gilt. Es kommt auch hier darauf an, ob die Ehegatten auch diese Ersatzregelung bewusst als gemeinsame, voneinander abhängige Entscheidung getroffen haben. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments sei es den Eheleuten aber insbesondere darauf angekommen, den gemeinsamen Sohn abzusichern. Die Einsetzung einer Ersatzschlusserbin sollte nur vorsorglich erfolgen und war keine Gegenleistung für eine vermeintliche Pflegeleistung der Schwiegertochter oder für behauptete Investitionen. Bei einer Schwiegertochter handelt es sich auch nicht automatisch um ein besonderes Näheverhältnis im Sinne des Gesetzes. Es müsse sich vielmehr um eine besondere persönliche Beziehung handeln, die mit familiärer Nähe vergleichbar ist. Bei der Formulierung des Testaments ("dessen Ehefrau") habe man aber bewusst nicht auf ein eigenes Näheverhältnis abgestellt, sondern vielmehr auf den Bestand der Ehe, die aber nicht dauerhaft garantiert sei. Da keine Wechselbezüglichkeit vorlag, war die Erblasserin frei, nach dem Tod ihres Mannes ein neues Testament zu errichten.
Hinweis: Mit der Formulierung "unsere Schwiegertochter" wäre die Bewertung möglicherweise anders ausgefallen, da hierdurch das Näheverhältnis der Erblasser zur Schwiegertochter im Vordergrund gestanden hätte.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Das vererbte Haus in Übersee - ein Traum. Dass derartige Träume schnell zu Schäumen werden, liegt nicht selten an der Realität und im folgenden Fall auch am deutschen Rechtssystem. Übersee war hier nämlich München, von New York aus gesehen. So war es zuerst am Amtsgericht (AG) und dann am Oberlandesgericht München (OLG) zu klären, nach welchem Recht die Erbschaft der deutschen Immobilie und die diesbezüglich erfolgte, aber bereute Ausschlagung zu beurteilen war.
Der Erblasser war hier ein in New York lebender US-amerikanischer Staatsbürger. Dieser verstarb im Jahr 2017 und hinterließ seinen Erben seinen eigenen Anteil an einer Erbengemeinschaft, die Eigentümerin eines Hauses im fernen München war. Die Geschwister des Erblassers waren Miterben dieser Immobilie. In dem 2015 in New York vom Erblasser englischsprachig verfassten Testament hatte er seinen Bruder als Begünstigten und Testamentsvollstrecker eingesetzt. Eine ausdrückliche Rechtswahl zur Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts - amerikanisches oder deutsches Recht? - hatte er dabei jedoch nicht getroffen. Der Bruder schlug im Jahr 2019 die Erbschaft vor dem AG Berlin-Schöneberg hinsichtlich der Immobilie in Deutschland aus, wollte die Ausschlagung aber wieder rückgängig machen. Dies begründete er damit, dass das Testament US-amerikanischem Recht unterliege - genauer gesagt: dem Recht des Bundesstaates New York. Danach sei seine Ausschlagung unwirksam gewesen, weil er den Nachlass nach dem Tod des Erblassers bereits in Besitz genommen habe. Das AG lehnte den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe ab und begründete dies damit, dass die Ausschlagung wirksam gewesen sei.
Dieser Ansicht schloss sich auch das OLG im Beschwerdeverfahren an und entschied im Kern, dass für eine in Deutschland gelegene Immobilie deutsches Erbrecht Anwendung findet. Dies ergibt sich auch aus der europäischen Erbrechtsverordnung. Nach deutschem Recht war die Ausschlagung wirksam und fristgerecht erfolgt. Zudem sei nicht erkennbar, dass eine Rechtswahl zugunsten des US-amerikanischen Rechts erfolgt sei. Das Gericht stellte zudem klar, dass auch der Anteil an einer Erbengemeinschaft, deren einziges Vermögen eine Immobilie ist, insgesamt als unbewegliches Vermögen im Sinne der Erbrechtsverordnung zu bewerten ist. Der Umstand, dass der Erblasser bei der Erstellung des Testaments englische Sprache verwendet hatte, führte ebenfalls nicht zu einer konkludenten Rechtswahl, zumal es in der amerikanischen Testamentspraxis für den Bundesstaat New York eben auch bei unbeweglichem Vermögen darauf ankommt, wo sich dieses befindet.
Hinweis: Im konkreten Fall war auch die "teilweise" Ausschlagung wirksam, weil in dem Testament das US-Vermögen und das deutsche Vermögen getrennt ("gespalten") vererbt wurden. Die Ausschlagung galt daher nur für den deutschen Teilnachlass.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Ob und inwieweit ein Generalbevollmächtigter den Erben gegenüber zur Auskunft über seine Tätigkeit und zu Ausgaben und Einnahmen verpflichtet ist, war Gegenstand eines geschwisterlichen Rechtsstreits vor dem Landgericht Ellwangen (LG). Das Delikate an der Sachlage war hier, dass der generalbevollmächtigte Bruder der Erben auch zum Testamentsvollstrecker des verstorbenen Vaters bestimmt worden war.
Der Erblasser hinterließ sechs Kinder, die er in einem Testament aus dem Jahr 2020 zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt hatte. Gleichzeitig hatte er eine Testamentsvollstreckung angeordnet und einen Sohn zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Eben diesem Sohn hatte der Erblasser bereits drei Jahre vor dem Testament eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht erteilt. Darin war bestimmt, dass sich die Vollmacht ohne Ausnahme auf alle Rechtsgeschäfte erstreckt - insbesondere zur Verwaltung des Vermögens des Vollmachtgebers und zur Verfügung über Vermögensgegenstände. Die Vollmacht sollte auch über den Tod hinaus gelten. Noch vor dem Tod des Erblassers verfügte der bevollmächtigte Sohn über einen Geldbetrag von rund 25.000 EUR, wobei unklar blieb, wofür dieses Geld verwendet wurde. Nach dem Tod des Vaters forderten die Geschwister den bevollmächtigten Bruder dazu auf, eine geordnete Aufstellung aller Ausgaben und Einnahmen vorzulegen. Da er der Aufforderung nicht nachkam, trafen sich die Beteiligten vor Gericht wieder.
Das LG verpflichtete den Bevollmächtigten, der Erbengemeinschaft eine vollständige, nach Einnahmen und Ausgaben geordnete Aufstellung über die getätigten Verfügungen zu erstellen und Belege zur Verfügung zu stellen. Das Gericht begründete dies damit, dass es sich bei der notariell beurkundeten Generalvollmacht aufgrund der damit vorliegenden erheblichen Vermögensinteressen um ein Auftragsverhältnis im rechtlichen Sinne gehandelt hat - und nicht um ein reines Gefälligkeitsverhältnis, wie der Bevollmächtigte annahm. Als Folge des rechtlichen Auftragsverhältnisses bestehen eben auch ein Auskunftsanspruch und eine Verpflichtung, Rechenschaft abzulegen, beispielsweise durch Vorlage von Belegen, Kontoauszügen etc. Der Umstand, dass der Sohn gleichzeitig auch zum Testamentsvollstrecker bestimmt wurde, änderte an dieser Verpflichtung nichts, da es hier um eine Auskunft zu seinem Handeln vor dem Tod des Erblassers ging.
Hinweis: Die Erteilung einer Generalvollmacht an einen Familienangehörigen entbindet diesen nicht von einer Auskunftsverpflichtung gegenüber den Erben. Der Anspruch kann bei einer Erbengemeinschaft von jedem der Erben im Namen der übrigen Erben geltend gemacht werden.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Bei einer Grundbuchberichtigung kann auf die Vorlage eines Erbscheins oder eines europäischen Nachlasszeugnisses nur in den Erbfällen verzichtet werden, in denen ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag mit dem Eröffnungsprotokoll ausreicht. Auch, wenn sich alle Erben einig sind und die Erbenstellung glaubhaft machen können, kann nur in Ausnahmefällen auf den Erbschein verzichtet werden. Ob Letzteres der Fall war, musste das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) klären.
Die im Jahr 2024 verstorbene Erblasserin hatte im Jahr 2002 ein notarielles Testament errichtet und ihre drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Zudem hatte sie verfügt, dass deren Abkömmlinge als Ersatzerben nachrücken sollen, falls eines der Kinder vorher verstirbt oder die Erbschaft ausschlägt. Sollte es an entsprechenden Abkömmlingen fehlen, sollte der Anteil der übrigen Erben entsprechend "anwachsen". In einem im Jahr 2011 handschriftlich gefertigten Testament wich die Erblasserin davon ab und bestimmte, dass die Abkömmlinge einer Tochter weder als Ersatzerben noch als Ersatzvermächtnisnehmer in Betracht kommen. Im Übrigen sollte das notarielle Testament bestehen bleiben. Nach dem Tod der Erblasserin wurden die drei Geschwister zunächst als Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen. Zwei der Geschwister erklärten aber durch notarielle Urkunde, dass sie das Erbe ausschlagen. Der verbliebene Erbe war der Ansicht, dass unter Bezugnahme auf die notarielle Erbschaftsausschlagung das Grundbuch zu berichtigen sei, da ein Nachweis darüber vorläge, dass nur er der Alleinerbe sein könne.
Grundbuchamt und auch das OLG im Beschwerdeverfahren stellten klar, dass der Nachweis im konkreten Fall nicht durch die notariellen Urkunden der Erbschaftsausschlagung erbracht werden könne und es vielmehr der Vorlage eines Erbscheins bedarf. Wenn sich die Eigentumsverhältnisse an einem Grundstück ändern, kann das Grundbuch berichtigt werden, sobald die Unrichtigkeit durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen wird. Dieser Nachweis ist regelmäßig durch einen Erbschein oder ein europäisches Nachlasszeugnis zu erbringen. Wenn Zweifel an der Erbfolge bestehen oder zusätzliche Tatsachen geklärt werden müssen, kann das Grundbuchamt diese nicht selbst ermitteln. Das Gericht stellte hier insbesondere darauf ab, dass durch das handschriftliche Testament der Erblasserin die Erbfolge zumindest im Hinblick auf die Ersatzerben verändert worden sei. Ob dieses spätere Testament gültig sei und die frühere Regelung aufhebe, könne nur das Nachlassgericht im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens feststellen. Zudem stellte das OLG klar, dass die Frage zu klären sei, ob die Ausschlagung form- und fristgerecht erfolgt sei - auch dies könne nur durch das Nachlassgericht geklärt werden.
Hinweis: Im Fall eines notariellen Testaments reicht ausnahmsweise das Testament zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll als Nachweis für das Grundbuchamt aus.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
In diesem Fall musste geklärt werden, ob ein Nachlasspfleger ein zum Nachlass gehörendes Haus verkaufen durfte, um Wertverluste beispielsweise durch bauliche Alterungsprozesse des Gebäudes zu vermeiden. Eine mögliche Erbin hatte diesem Verkauf widersprochen, das Nachlassgericht den Verkauf aber zunächst genehmigt. Lesen Sie hier, was das Saarländische Oberlandesgerichts (OLG) dazu meinte.
Nach dem Tod der im Jahr 2020 verstorbenen Erblasserin war die Erbfolge zunächst unklar, weshalb das zuständige Nachlassgericht einen Nachlasspfleger eingesetzt hatte. Zu dessen Aufgaben gehörte es, das Vermögen der Verstorbenen zu sichern, zu verwalten und es im Interesse der noch unbekannten Erben zu erhalten. Zum Nachlass gehörte unter anderem eine Immobilie, die teilweise vermietet war. Der Verkehrswert der Immobilie lag bei etwa 176.000 EUR, zudem bestand der Nachlass aus einem Barvermögen von mehr als 330.000 EUR. Der Nachlasspfleger wollte die Immobilie im Jahr 2025 verkaufen und begründete dies damit, dass die Mieteinnahmen nicht ausreichten, um die laufenden Kosten zu decken. Zudem verschlechtere sich der bauliche Zustand der Immobilie, so dass diese ohne größere Investitionen an Wert verliere. Zwischen den zu diesem Zeitpunkt bekannten Erben bestand Uneinigkeit über den Verkauf der Immobilie.
Das OLG untersagte den Verkauf durch den Nachlasspfleger und stellte klar, dass es in erster Linie zur Aufgabe des Nachlasspflegers gehört, den Nachlass zu sichern und zu bewahren. Ein Verkauf der Immobilie ist nur dann ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn besondere sachliche Gründe vorliegen. Dies können hohe und nicht mehr tragbare Unterhaltungskosten, drohende erhebliche Bauschäden, die notwendige Zahlung von Nachlassschulden oder eine zwingend erforderliche Umwandlung in liquide Mittel sein. Keiner dieser Gründe konnte hier durch das Gericht festgestellt werden. Allein der Umstand, dass sich der Zustand eines Gebäudes ohne Pflege verschlechtern kann, rechtfertigt noch keinen Verkauf. Zudem war durch das Barvermögen eine ausreichende Liquidität vorhanden. Auch der mögliche erzielbare Kaufpreis oberhalb eines gutachterlich ermittelten Verkehrswerts rechtfertigt keine Veräußerung der Immobilie, da der Zweck der Nachlasspflegschaft die Sicherung des Nachlasses und nicht die Vermögensvermehrung ist.
Hinweis: Im Rahmen der Nachlasspflegschaft steht im Vordergrund, den Nachlass zu sichern. In Zweifelsfällen ist abzuwarten, bis die Erben feststehen, damit diese in die Lage versetzt werden, selbst Entscheidungen über das Schicksal von Nachlassgegenständen zu treffen.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Ausländische Eheschließungen und -scheidungen müssen in Deutschland anerkannt werden. Leitet ein Paar aber ein Scheidungsverfahren erst in Deutschland und dann nochmal im Ausland ein, steht diese Doppelung der Anerkennung des ausländischen Verfahrens entgegen. Ein solcher Fall landete kürzlich vor dem Oberlandesgericht München (OLG), das die Anerkennung einer in der Türkei erfolgten Scheidung ablehnte. Lesen Sie hier, warum.
Zwei türkische Staatsangehörige hatten 1980 in der Türkei geheiratet. Später erlangte die Ehefrau die deutsche Staatsangehörigkeit und gab die türkische auf. Ende November 2011 beantragte der Ehemann beim Amtsgericht Ingolstadt die Scheidung der Ehe. Später leiteten die Eheleute zudem im türkischen Konya die Scheidung ein. Der dortige Scheidungsbeschluss erging am 13.01.2012 und wurde mit dem 16.04.2012 rechtskräftig. Für eine erbrechtliche Auseinandersetzung in der Türkei beantragte die Tochter des Paars schließlich am 11.06.2024 die Anerkennung des Scheidungsbeschlusses aus der Türkei. Doch diese wurde abgelehnt. Die in der Türkei erfolgte Scheidung sei mit dem zuvor in Deutschland rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar.
Das OLG wies den daraufhin erfolgten Antrag der Tochter auf Abänderung dieser Entscheidung zurück. Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Ehesachen ist unter anderem dann ausgeschlossen, wenn das ausländische Verfahren mit einem früher hier in Deutschland rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist. Unvereinbarkeit liegt auch bei Identität der Verfahrensgegenstände vor - und eben diese (doppelte) Identität ("Scheidung" = "Scheidung") liegt vor.
Hinweis: Doppelt gemoppelt hält im Rechtssinne also nicht besser. Das ist auch nachvollziehbar, denn sonst bestünde die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen in derselben Sache. Man muss sich als Rechtssuchender also entscheiden, welches Verfahren man durchführen will, und dieses dann entsprechend anerkennen lassen.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Liest man in der öffentlichen Berichterstattung etwas über die Befangenheit von Richtern, handelt es sich dabei meist um einen von anderer Seite vorgetragenen Vorwurf. Im Folgenden aber ging es dabei um ein ehrliches Eingeständnis - und zwar von gleich allen Richtern eines ganzen Amtsgerichts (AG). Denn besonders in kleineren AG heißt es schnell: Man kennt sich. Was in einem derartigen Fall zu tun ist, klärte schließlich das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG).
Eine Richterin, die am AG Ettlingen tätig ist, wollte sich scheiden lassen. Der dafür zuständige Richterkollege in Ettlingen gab das Verfahren ab, weil er sich in dieser Sache selbst für befangen erklärte. Er arbeite einfach zu nah mit der Kollegin zusammen, man vertrete sich gegenseitig und ist deswegen in ständigem Austausch. Die übrigen Richter wiederum wollten nicht über diese Selbstanzeige entscheiden, weil sie durch die gemeinsamen Mittagspausen, Kaffeerunden und die familiäre Zusammenarbeit allgemein selbst befangen seien. Eine neutrale Entscheidung sei in dieser Angelegenheit also nicht möglich. Und so legte der Direktor des AG das Ganze gem. § 113 Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit , § 45 Abs. 3, § 48 Zivilprozessordnung dem OLG vor, damit dieses das nunmehr zuständige Gericht bestimmt.
Das OLG erklärte das Amtsgericht in Karlsruhe-Durlach für zuständig. Das OLG bestätigte zudem, dass alle Selbstanzeigen der Befangenheit begründet waren. Dies sei immer dann der Fall, "wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit zu rechtfertigen". Bei einer sehr engen beruflichen Zusammenarbeit kann man bei einem kleinen AG mit fünf Richtern in der Tat von einer Befangenheit ausgehen.
Hinweis: Das ist ein außergewöhnlicher Fall. Die Befangenheit eines Richters kommt aber schon häufiger vor. Haben Sie mal ein ungutes Gefühl, fragen Sie sich, ob Sie objektive Gründe haben, an der Neutralität des Richters zu zweifeln. Falls ja, dann können Sie als Partei, gegebenenfalls über Ihren Rechtsanwalt, einen Befangenheitsantrag stellen.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Verstoßen Eltern gegen Umgangsregelungen, können Ordnungsmittel verhängt werden. Dazu muss der Umgang aber vollstreckbar - also konkret nach Ort und Zeit geregelt - sein. So weit, so klar, sollte man meinen. Und dennoch müssen sich Gerichte immer wieder mit getroffenen Regelungen befassen, die so unklar gefasst sind, dass Verstöße dagegen nicht geahndet werden können - so auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG).
Die Eltern von drei Kindern trennten sich im September 2021. Die Kinder blieben bei der Mutter. Der Umgang für die jüngeren Kinder wurde wie folgt geregelt: "Der Umgang erfolgt zweimal monatlich in den Räumen (...), wobei die Kinder von der Mutter dorthin gebracht und wieder abgeholt werden. Der Umgang erfolgt vorläufig begleitet nach Terminvereinbarung mit dem Jugendamt. Der Träger des (...) bestimmt, welche einzelnen Mitarbeiter die Umgangsbegleitung übernehmen." Der Umgang des Vaters mit dem ältesten Kind blieb hingegen ungeregelt. Auf die Folgen einer Zuwiderhandlung wurde hingewiesen, der Beschluss wurde der Mutter am 10.03.2025 zugestellt. Schon am 02.05.2025 beantragte der Vater die Festsetzung eines Ordnungsgeldes und die Umgangspflegschaft gegen die Mutter. Diese habe einen ersten vereinbarten Termin abgesagt. Bei einem neuen Termin wirkte die Mutter so auf die Kinder ein, dass diese den Umgang verweigerten. Die Mutter gab an, den Kontakt zwischen den Kindern und dem Vater zu fördern; die Kinder verweigerten von sich aus den Umgang.
Der Antrag des Vaters wurde vom OLG abgelehnt. Es könne gar kein Ordnungsmittel wegen einer Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel anordnen, da die getroffene Regelung schlichtweg nicht vollstreckungsfähig war. Vollstreckungsfähig ist ein Titel nämlich erst dann, wenn er genaue und erschöpfende Bestimmungen über Art, Ort und Zeit des Umgangs enthält. Und genau daran fehlt es hier - beispielsweise an konkreten Umgangsterminen.
Hinweis: Treffen Sie Umgangsvereinbarungen immer so konkret wie möglich. Nur das sichert Ihnen im Endeffekt die Vollstreckbarkeit.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Verfahrenskosten bestimmen sich nach dem Wert des Verfahrens. Bei einer Volljährigenadoption sind zum Beispiel die Vermögensverhältnisse der Beteiligten grundsätzlich mit 25 % des Reinvermögens desjenigen, der adoptiert wird, und dem Adoptierenden zu berücksichtigen. Und bei Rücknahme der Adoption? Was gilt hier? Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) weiß Antwort.
Die 1961 und 1965 geborenen Stiefkinder und ihr Stiefvater beantragten im September 2023 die Erwachsenenadoption. Den Wert der notariellen Urkunde gaben sie und ihr Stiefvater ohne Erläuterung mit 100.000 EUR an. Der Stiefvater verstarb dann noch im Jahr 2023. Im April 2024 nahmen die Kinder die Adoptionsanträge zurück. Das Amtsgericht (AG) setzte einen Verfahrenswert von 5.000 EUR fest und verlangte dementsprechend von jedem Stiefkind 161 EUR Verfahrenskosten. Die Staatskasse legte Beschwerde ein. Schließlich hatten die Beteiligten einen Wert von 100.000 EUR angegeben, und so könne das Gericht nicht von nur 5.000 EUR ausgehen.
Das OLG entschied hierzu: Ergibt sich der Verfahrenswert beispielsweise nicht aus Unterlagen, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei können insbesondere Umfang und Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten zugrunde gelegt werden. Der Verfahrenswert wird dann nach billigem Ermessen bestimmt - über 500.000 EUR darf er nicht festgelegt werden. Erlangt man keine entsprechend genügenden Anhaltspunkte, ist von 5.000 EUR auszugehen. Hier hat man aber aufgrund eigener Festlegung der Parteien Anhaltspunkte für Vermögenswerte von 100.000 EUR. Das OLG geht dabei davon aus, dass der Verfahrenswert für die Erwachsenenadoption mit 25 % des Vermögens der Beteiligten zu berücksichtigen sind - und zwar auch bei der Rücknahme. Während das AG der Beschwerde der Staatskasse also nicht abhalf, gab das OLG ihr statt und setzte den Verfahrenswert auf 100.000 EUR fest.
Hinweis: Bevor Sie Adoptionsverfahren oder auch andere Verfahren beantragen, lassen Sie sich immer über das mögliche Kostenrisiko (Verfahrenskosten, Anwaltskosten) aufklären. Dann wissen Sie, was auf Sie zukommt, und können kosteneffizient agieren.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Getrennte Paare zieht es oft in unterschiedliche Richtungen, und das auch örtlich. Fraglich ist dann oft, wo im Rahmen einer Scheidung die Folgeverfahren durchzuführen sind: Am Ort der Trennung oder am neuen Lebensmittelpunkt? Da sich darüber auch zwei Amtsgerichte augenscheinlich nicht einig waren, musste das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) ein Machtwort sprechen.
Die Eltern zweier Kinder ließen sich scheiden. Die Familie lebte bis dahin in Freiburg, nach der Scheidung zog die Mutter mit den Kindern aber nach Hildesheim. Im Zuge des Scheidungsverfahrens wurde der Umgang für den Vater noch in Freiburg durch das dortige Amtsgericht (AG) geregelt. Es wurde eine Umgangsvereinbarung mit befristeter Umgangspflegschaft gebilligt. Diese sollte verlängert werden, also beantragte man dies in Freiburg. Das Gericht in Freiburg wies jedoch darauf hin, dass es nicht mehr zuständig sei. Das Verfahren wurde nach Hildesheim abgegeben. Doch dann erklärte sich auch das dortige AG mit Beschluss für unzuständig und legte das Verfahren dem OLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.
Der Beschluss der Freiburger zur Verweisung nach Hildesheim war auch laut OLG bindend. Es ist umstritten, ob es als Ursprungsgericht für die Verlängerung zuständig bleibt oder die Kollegen in Hildesheim im Gericht des aktuellen Aufenthalts der Kinder zuständig seien. Beide Ansichten werden gleichermaßen vertreten. Das AG Freiburg ist mit seinem Beschluss nun der zweiten Ansicht gefolgt. Schlussendlich aber ist festzuhalten, dass die Verlängerung einer Umgangspflegschaft nicht anders zu behandeln ist als andere Verfahren, in denen über die Verlängerung von befristeten Anordnungen zu entscheiden ist.
Hinweis: Neues Verfahren - neues Gericht, könnte man sagen. Sollten Sie sich doch mal an das örtlich unzuständige Gericht wenden, wird es Sie entsprechend darauf hinweisen und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Gericht abgeben. Der "Fehler" ist also halb so wild.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Dass digitale Freiheit und Flexibilität auch dem Verbrechen nützen, ist nicht neu. Dennoch werden Vorsichtsmaßnahmen immer wieder ignoriert, so dass sich im Nachhinein Gerichte wie das Landgericht Koblenz (LG) um den entstandenen Schaden kümmern müssen. In diesem Fall ging ein unstrittiger Rechnungsbetrag an eine angeblich neue Bankverbindung. Man ahnt; das Geld war verloren - nur: Wer trägt die (Haupt-)Schuld daran?
Anfang des Ganzen waren Zaunbauarbeiten, die ein Unternehmen auf einem Grundstück für einen vereinbarten Pauschalpreis von 11.000 EUR ausführte. Nach Rechnungsstellung erhielt der Unternehmer per WhatsApp Screenshots über Zahlungen von 6.000 und 5.000 EUR - allerdings auf ein fremdes Konto. Flugs stellte der Unternehmer fest, dass das Geld nicht auf seinem Konto eingegangen war, und informierte den Kunden. Dieser erklärte, er habe zuvor E-Mails vom vermeintlichen Account des Unternehmers erhalten, in denen eine neue Bankverbindung genannt wurde. Hätte der Unternehmer die Screenshots sofort geprüft, hätten die Banken die Überweisungen möglicherweise stoppen können, so die Auffassung des Kunden.
Das LG folgte dieser Argumentation jedoch nicht und gab der Klage des Unternehmers zu 75 % statt, einem Zahlungsanspruch von 8.250 EUR entsprechend. Das Gericht erklärte, dass sich der Kunde sich nicht darauf berufen könne, dass seine Zahlungen den Werklohn erfüllten, wenn die E-Mail möglicherweise nicht vom Unternehmer stammte. Allerdings sah das LG ein Mitverschulden des Unternehmers nach Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung, weil er seine E-Mail und sensible Daten nicht ausreichend gesichert hatte, wodurch sein Account gehackt werden konnte. Dennoch hätte der Kunde beim Erkennen der fremden Kontoverbindung wachsam sein müssen. Die ohne Rückfrage erfolgte Überweisung auf ein ihm bis dahin unbekanntes Konto machte ihn ebenfalls mitschuldig. Deshalb wurde der Schaden auf 75 % zu Lasten des Kunden quotiert, so dass er lediglich 25 % gegenrechnen konnte. Somit hat der Unternehmer 2.750 EUR weniger erhalten als ursprünglich vereinbart.
Hinweis: Bei E-Mail-Kommunikation über Bankverbindungen ist stets Vorsicht geboten! Sensible Daten sollten besonders gesichert werden, und Zahlungen auf fremde Konten müssen immer kritisch geprüft werden.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Der Politikbetrieb ist nicht erst mit Social-Media-Kanälen zu einem Haifischbecken geworden, jedoch zu einem weitaus umtriebigeren. Hier ging es um einen Beitrag auf dem Telegramkanal der Partei "Freie Sachsen", gegen den sich ein "Die Linke"-Abgeordneter zu wehren versuchte. Er war darin namentlich genannt worden, sah seinen Ruf damit gefährdet und klagte auf Schadensersatz. Das letzte Wort hatte hier der Bundesgerichtshof (BGH).
Der Abgeordnete der Partei "Die Linke" hatte für den 05.09.2022 eine Demonstration auf dem Leipziger Augustusplatz angemeldet. Die Partei "Freie Sachsen" meldete für denselben Tag eine eigene Versammlung an und veröffentlichte am 31.08.2022 einen Beitrag mit dem Motto "GETRENNT MARSCHIEREN, GEMEINSAM SCHLAGEN!", in dem mehrere Personen namentlich genannt wurden - darunter der Abgeordnete. Dieser erwirkte eine Unterlassungsverfügung, woraufhin die Beklagte den Beitrag am 03.09.2022 löschte. Anschließend verlangte der Abgeordnete 15.000 EUR Schadensersatz, weil er seinen Ruf durch den Eindruck einer Zusammenarbeit mit der Partei "Freie Sachsen" als Rechtsextremisten verletzt sah. Das Landgericht verurteilte die Beklagte zunächst zu 10.000 EUR, das Oberlandesgericht (OLG) hob das Urteil jedoch auf und wies die Klage ab.
Der BGH bestätigte letztendlich die Entscheidung des OLG. Nach Ansicht des Gerichts ließ sich aus dem Beitrag nicht eindeutig ableiten, dass der Abgeordnete tatsächlich mit der Beklagten zusammengearbeitet habe. Der Text war mehrdeutig und erlaubte somit verschiedene Interpretationen: Manche Leser konnten eine koordinierte Zusammenarbeit vermuten - andere verstanden lediglich, dass beide Demonstrationen zeitlich zusammenfielen, ohne dass eine Absprache bestand. Da der Beitrag auch als journalistische Berichterstattung im Sinne des Medienprivilegs zu werten war, konnte der Abgeordnete seinen Anspruch auch nicht aus der Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung herleiten.
Hinweis: Eine Namensnennung in einem öffentlichen politischen Beitrag begründet allein keinen Anspruch auf Schadensersatz. Entscheidend ist, ob die Aussage eindeutig eine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung darstellt. Politische Berichterstattung und öffentliche Meinungsäußerungen genießen besonderen Schutz.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Eben noch gelacht vor lauter Frohsinn und schon fehlt ein Schneidezahn - es geht oft besonders schnell mit folgenreichen Versehen, wenn Sonne, Spaß, Wasser und womöglich gar Alkohol im Spiel sind. So musste das Landgericht Nürnberg-Fürth (LG) die Folgen eines Urlaubsspaßes bewerten und dabei die Frage klären, ob ein Mann, der beim Ballspielen vom Ball getroffen wurde und dabei einen Zahn verlor, Ersatz verlangen konnte.
Der Mann verbrachte gemeinsam mit mehreren Freunden Urlaub in Südeuropa. An einem Tag befand sich die Gruppe am Pool, unterhielt sich, wechselte ins Wasser und warf sich einen Ball gegenseitig zu. Zunächst war der Mann aktiv beim Ballspiel dabei. Später stand er mit einer Bierdose am Rand des Pools, warf weiterhin Bälle zurück. Da traf ihn ein Ball am Hinterkopf, er stieß mit dem Gesicht gegen den Beckenrand und verlor einen Schneidezahn. Er verlangte vom Ballwerfenden Ersatz für Zahnarztkosten in Höhe von 228 EUR und forderte Schmerzensgeld in Höhe von 2.250 EUR. Er behauptete, eindeutig gesagt zu haben, dass er nicht mehr mitspielen wolle.
Zuerst wies das Amtsgericht die Forderung des Mannes zurück, und schließlich bestätigte auch das LG diese Entscheidung. Es machte deutlich, dass eine Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe. So zog der Mann sein Rechtsmittel zurück. Das Gericht sah die Zahnverletzung als Teil eines allgemeinen Lebensrisikos an. Wer an einem Ballspiel teilnehme, nehme bewusst das Risiko in Kauf, dass ein Ball daneben geht und jemanden treffen könne. Dieses Risiko war im konkreten Fall eingetreten. Aussagen der Urlaubspartner konnten nicht eindeutig zeigen, dass der Geschädigte klargestellt habe, nicht mehr mitspielen zu wollen. Im Gegenteil: Er hatte weiterhin Bälle aufgenommen und geworfen. Sein Verbleib im Wasser trotz Ballspiels bedeutete, dass er die damit verbundenen Gefahren akzeptierte. Einen sicheren Rückzug hätte er erreicht, indem er den Pool verlassen hätte. Hätte der Ballwerfer absichtlich auf seinen Kopf gezielt, wäre eine andere Bewertung möglich gewesen - diese Absicht ließ sich jedoch nicht feststellen. Das LG meinte auch, dass der Geschädigte durch sein Verhalten das Verletzungsrisiko selbst noch verstärkt habe, weil er mit einer Bierdose in der Hand im Wasser stand. Dadurch war eine angemessene Reaktion auf einen Sturz nur stark eingeschränkt möglich. Da er sich nicht klar genug aus dem Spiel zurückgezogen hatte, traf ihn also ein typisches Risiko des Spiels.
Hinweis: Hier ging es um eine Verletzung im Rahmen eines Freizeitspiels und um keinen absichtlichen Angriff. Der Anspruch scheiterte, weil das Risiko im Spielalltag lag. Wenn ein Ball bewusst auf den Kopf geworfen würde, könnte die Lage anders sein.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Beim Design von Websites sollte in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht bei dem Motto "Mach groß, mach bunt, mach laut!" stets Vorsicht geboten sein. Denn Verbraucherschützer haben ein Auge darauf, wenn Verbraucher manipuliert werden. In diesem Fall prüfte das Oberlandesgericht Bamberg (OLG), ob die grafische Gestaltung auf der Internetseite eines Ticketanbieters bei Abschluss einer Ticketversicherung zulässig war.
Einer der Global Player unter den Eventveranstaltern verkaufte über seine Website Eintrittskarten und bot gleichzeitig eine Ticketversicherung an. Beim Kauf erschien ein Hinweis auf die Versicherung in einem hellblauen Feld, das hervorgehoben war, während das Kästchen zum Anklicken weiß gestaltet war. Klickte der Nutzer auf "Weiter zur Kasse", öffnete sich ein weiteres Fenster mit einer fetten Überschrift, die erneut den Abschluss der Versicherung empfahl. Dort konnte zwischen einem weißen Button ("Ich trage das volle Risiko" = ohne Versicherung) und einem blauen Button mit der Versicherungsauswahl gewählt werden. Der Kläger - Dachverband der Verbraucherzentralen - hielt dies für irreführend und reichte Klage ein.
Das OLG stellte fest, dass die Beklagte sowohl durch die wiederholte Aufforderung (sog. "Nagging") als auch durch die visuelle Gestaltung der Buttons die Entscheidungsfreiheit der Nutzer unzulässig beeinflusste. Der Hinweis "Ich trage das volle Risiko" suggerierte den Verbrauchern, sie könnten ohne Versicherung den vollen Verlust des Ticketpreises erleiden, obwohl dies rechtlich nicht zutraf. Dadurch wurde der durchschnittliche Nutzer getäuscht und zur Versicherung gedrängt. Die Kombination aus wiederholter Nachfrage und dem bedrohlich klingenden Text überschritt die Schwelle zur unzulässigen Beeinflussung und verstieß damit gegen Art. 25 Abs. 1 Digital Service Act sowie gegen §§ 3 Abs. 2, 4a Abs. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Die Beklagte durfte diese Gestaltung daher nicht weiter verwenden.
Hinweis: Das Gericht lehnte jedoch ab, der Beklagten auch das erstmalige Versicherungsangebot im Warenkorb zu untersagen. Dieses werde zwar herausgehoben präsentiert - dennoch sei einfach erkennbar, dass die Versicherung optional sei und nicht etwa zwingend für den Kauf des Tickets erforderlich. Hier sah das OLG die Entscheidungsfreiheit der Nutzer nicht maßgeblich beeinträchtigt.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
Die Automatisierung von Prozessen verspricht Zuverlässigkeit. Doch wie es so ist: Spielt der Mensch bei der Dateneingabe oder -pflege nicht korrekt mit, versagt auch dieses Prinzip. So musste sich hier das Amtsgericht Wesel (AG) damit befassen, wie hoch der erlittene Schaden ist, wenn aufgrund der unterlassenen Datenpflege durch eine Kanzlei die Steuerklärung Fremden in die Hände fällt - und das auch noch in einer kleinen Gemeinde, wo man einander kennt.
Die Mandanten hatten der Kanzlei im August 2019 per E-Mail ihre neue Adresse mitgeteilt und sie mehrfach daran erinnert. Bei der Erstellung der Steuererklärung für 2019 griff die Kanzlei jedoch automatisiert auf die alten Kontaktdaten zurück - die Erklärung wurde folglich also an die ehemalige Adresse geschickt. Dummerweise öffneten die neuen Bewohner auch noch den Umschlag - versehentlich - und sahen den Inhalt. Die Mandanten fühlten sich dadurch bloßgestellt, da es sich um sehr persönliche Daten handelte, unter anderem auch Gesundheitsinformationen. Und das alles in der kleinen Gemeinde, in der sie lebten, wo Diskretion wichtig war. Sie verlangten deshalb ein Schmerzensgeld von mindestens 15.000 EUR. Die Kanzlei argumentierte hingegen, dass die Mandanten möglicherweise einen Nachsendeauftrag hätten einrichten sollen und dass das Öffnen der Post durch die neuen Bewohner nicht ihre Schuld sei.
Das AG sprach den Mandanten einen immateriellen Schadensersatz von insgesamt 1.000 EUR zu, also jeweils 500 EUR pro Person. Die Kanzlei hatte gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen, weil sie die alte Adresse nicht vollständig aus ihren Daten gelöscht hatte. Dabei spielte es keine Rolle, dass die Adresse automatisch aus einem Programm eingefügt worden war. Das Gericht begründete die Höhe des Schadensersatzes damit, dass der Kontrollverlust über die Daten zwar einen Schaden darstellte, dieser jedoch deutlich unter der von den Mandanten geforderten Summe lag.
Hinweis: Auch kleine Fehler bei der Speicherung personenbezogener Daten können im Rahmen der DSGVO zu Schadensersatzforderungen führen. Automatisierte Prozesse entbinden Unternehmen nicht von der Verantwortung. Wer Mandanten- oder Kundendaten verarbeitet, muss diese regelmäßig prüfen und aktualisieren.
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(aus: Ausgabe 11/2025)
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